Jerez de la Frontera. Die Bezeichnung „de la Frontera“ – an der Grenze – ist nicht selten in Andalusien. Sie verweist darauf, dass wie so viele Orte in Andalusien auch diese Stadt stark umkämpft war – nicht nur während der Reconquista, der christlichen Rückeroberung Spaniens, in dieser Zeit aber über beinah zwei Jahrhunderte hinweg.  

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Wie so häufig, liegt der historische Ursprung der Stadt im Dunkeln. So fügt sich der Streit der unterschiedlichen Interpretationen – Zentrum der Tartesier oder Kolonie der Phönizier? – erst für die Zeit ab dem 11. Jahrhundert zusammen, in der die Stadt ihre Gestalt annahm.  Die ersten Festungsmauern und der Alcázar stammen aus dem 12. Jahrhundert, aus der Zeit der Almohaden, einem Herrschergeschlecht der nordafrikanischen Berber . Allerdings werden diese Festungsbauten wie die ganze Stadt im Jahr 1133 von Alfonso VII bis auf die Grundmauern zerstört. So stammen auch die heute noch sichtbaren maurischen Reste aus der Periode des grundlegenden Wiederaufbaus ab 1146. 1248 wird Jerez  von Ferdinando III erobert, erfreut sich dann für kurze Zeit einer relativen, allerdings unsicheren Autonomie. 1264 gliedert Alfonso X die Stadt 1264 endgültig dem Herrschaftsgebiet der Kastilier ein; er vertreibt die maurische Bevölkerung und besetzt die eroberten Gebiete systematisch mit christlicher Bevölkerung.

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So spiegelt Jerez de la Frontera wie unter einem Brennglas die Wirren und Grausamkeiten der Reconquista, der christlichen Widereroberung des maurischen Machtbereichs in Spanien (al-Andalus). Befreiung von Fremdherrschaft? Da scheiden sich die Geister, je nach dem, von wo aus man/frau auf diese Geschichte blickt. Diese Rückeroberung durch die christlichen Königreiche Nordspaniens dauert Jahrhunderte; formal beginnt sie 722 mit der Schlacht von Covadonga in Asturien und endet 1492 mit dem Fall von Granada. Zumindest machtpolitisch. Die Vertreibung der maurischen – und der jüdischen – Bevölkerung, die Zwangschristianisierungen, das Brennen der Scheiterhaufen dauert dann noch Jahrzehnte. Geblieben ist der Mythos von al-Andaluz. Und er erfindet sich immer wieder aufs Neue, angepasst an die Bedürfnisse der Kreateure.

Heute ist Jerez de la Frontera eine Stadt von ca. 200.000 Einwohnern. Ein wenig vergessen. Überstrahlt vom entfernten Sevilla. Jerez ist eine Stadt mit einer ganz besonderen Farbigkeit. Der Putz blättert ein wenig. Hinterlässt seine Narben. Bleicht die Farben aus, lässt die neu aufgetragenen umso intensiver strahlen. Jerez folgt seinem ganz eigenen gelassenen Rhythmus. Schwingend ein wenig. Da fügt sich die Königliche Reitschule – die Escuela Andaluza del Arte Ecuestre – wie von selbst in den heiteren Tanz des Gemüts ein.

Und da ist noch eine kleine Geschichte; jedermann / jedefrau  mag entscheiden, ob er/sie ihr folgen will. Jerez gilt als das Zentrum des Sherry. Dieser soll seinen Namen erhalten haben, weil die Briten Jerez nicht aussprechen konnten oder wollten. Sherry also ein Verballhornung von Jerez? Wie auch immer – ein trockener Sherry in einer der vielen kleinen Bars von einem der lokalen Produzenten mag das Gemüt ins Schwingen versetzen – wenn es die Farben der Stadt nicht schon lange bewirkt haben.

Jürgen van Buer

Jerez de la Frontera