Es wäre schon überraschend, wenn Berlin nicht regelmäßig etwas Neues anzubieten hätte. Auch wenn der Wunsch, dies zu tun, manchmal lange dauert, sehr lange. Manchmal mit dem Hauch der Ewigkeit bis zur Fertigstellung oder dem einer unendlichen Geschichte. Wie im Fall des neuen Berliner Flughafens.
Ganz im Gegensatz zu solchen Geschichten hat die James-Simon-Galerie ihre glänzende Fertigstellung gefunden. Eröffnet am 08. Juli 2019 mit viel Prominenz. So als erhielten die Museen der Museumsinsel und deren Verknüpfung durch die neue Galerie entlang dem Spreekanal erst durch die Anwesenheit der sorgsam ausgesuchten Eingeladenen ihre Bedeutung. Doch dies ist wohl nur ein ironischer Gedankensplitter.
Schon am Tag danach war die weiße Galerieflucht mit der großen Freitreppe von den Besucher*innen angenommen. So als hätten sie auf ein solches Spektakulum nur gewartet. Gleichwohl – einen neuen visueller Fixpunkt stellt die Galerie schon dar. Sie scheint den Zusammenhalt der Museen auf eine ganz neue Weise nahzubringen, zu definieren. Auch wenn das Pergamonmuseum derzeit noch hinter den Baugerüsten mit ihren silbernen Verhängungen beinah verschwindet und das Neue Museum sich beinah schüchtern zurückzuziehen scheint.
Zwei Galerien spielen mit der Wahrnehmung der Besucher*innen – die obere Galerie, hoch thronend über dem Spreekanal, und die untere Galerie, der Pfeilergang hin zum Neuen Museum und zur Nationalgalerie. Magnet ist die erstere; sie fixiert mit einer drängenden Unbedingtheit. Nicht nur die Blicke, sondern auch die Schritte der Menschen. Ihr Bewusstsein vielleicht auch.
Der Pfeilergang nimmt den Rhythmus der Arkaden auf, die die Nationalgalerie umrahmen. Setzt ihn aber nicht einfach nur fort. Dunkel und hell kontrastieren, neu und alt, gewohnte und ungewohnte Sichten. Einsichten auch? Die breite Treppe hoch zur oberen Galerie ist Monument, Barriere und Verbindung zugleich. Eine offene Einladung auch? Darüber mögen man oder frau sich sehr wohl streiten. Der Besucher/die Besucherin muss emporsteigen, muss Zeit haben, sich bewusst werden, ob er/sie dies wirklich will. Oben angelangt, öffnet sich über die Baumkronen des Lustgartens hinweg der Blick zurück in Richtung des fast fertiggestellten Berliner Schlosses mit seiner hohen Kuppel. Seitlich werden die Blicke begrenzt durch den Spreekanal und das alte Zeughaus, jetzt Deutsches Historisches Museum. Auf der anderen Seite wirft die Seitenfront des Alten Museums den Blick zurück auf die Macht der gleißenden Treppe. Der Rhythmus der Kolumnen links über der Treppe scheint fest gesetzt. Und doch verändert der Lauf der Sonne dort Licht und Schatten. Das Spiel von Hell und Dunkel. Wenn Wolken aufziehen und das strahlende Hell changierendem Grau weicht, verliert die Unbedingtheit der visuellen Überwältigung ihren einnehmenden Drang. Doch dem Gedächtnis bleibt die Gravur des gleißenden Weiß als Erinnerungspunkt. Jürgen van Buer