Berlin ist präsent. Fotos aus Berlin sind präsent. Überall. Gleichwohl, wohin man schaut. Nicht nur in Berlin selbst. In den Souvenirläden. In den Museen. Und vor allem in den Selfies, die in jeder Sekunde dynamisch rasant zunehmen. Und ihrer Vervielfachung. Wenn sie unmittelbar nach ihrem Entstehen gepostet werden.
Warum also die Arbeit für eine weitere Präsentation machen? Und dann noch in Schwarzweiß. Wo die Welt doch so bunt, auch knalligbunt ist. In Berlin allemal.
Vielleicht können die hier gezeigten Fotografien einen Zugang zu dem Phänomen „Berlin“ öffnen, der in sechs Spaziergänge entlang sehr gewohnter Monumente einen vielleicht doch auch überrascht . Mit veränderten Sichten. Mit verändernden Blicken auch auf das, was jede/r kennt in Berlin – oder zu kennen glaubt.
Spaziergang 1: Vom Hauptbahnhof zum Reichstag
Spaziergang 2: Brandenburger Tor , Holocaust Mahnmal, Potsdamer Platz, Sony Center
Spaziergang 3: Die Humboldt-Universität, Unter den Linden zum Campus Nord
Spaziergang 4: Unter den Linden über die Museumsinsel zur Oranienburger Straße
Spaziergang 5: Alexanderplatz und Karl-Marx-Allee
Spaziergang 6: Breitscheidplatz , Kurfürstendamm bis zur Universität der Künste
Über nun 25 Jahre hinweg habe ich Berlin durchkreuzt. Die Kamera war im Rucksack immer dabei. So sind viele der Fotografien quasi en passant entstanden. Flüchtige Momente, Lichtstimmungen, atmosphärische Verdichtungen. In den Jahren 1993 bis 2011 analog, ab 2012 dann digital. Bilder entlang meiner gewohnten Wege. Von der S-Bahn hin zu meinem Dienstort. Auf den Wegen zu Terminen irgendwo in der Stadt. Fotos aus dem Nebenbei vor und nach diesen Terminen. Und es sind Fotos entstanden auf bewussten Wanderungen durch diese Stadt. Dann nicht aus dem Nebenbei heraus.
1993 bis 2018. Fünfundzwanzig Jahre sind eine lange Zeit. Um aus der Sicht von Berlinern ein richtiger Berliner zu werden, reichen diese Jahre nicht aus. So bin ich maximal ein Neu-Berliner. Einer von den vielen, die seit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten im Jahr 1990 in diese Stadt gekommen sind. Es sind Fotografien, entstanden mit dem Blick des Externen, des Fremden. Zunächst. Dann Schritt für Schritt mit dem Blick desjenigen, der in diese Stadt, in das eintaucht, was man den Alltag mit seinen Gereimt- und Ungereimtheiten nennen mag. Zunächst langsam. Jahr für Jahr aber schneller mit der Sicht desjenigen, der von dem schnellen, teils auch hastigen Rhythmus Berlins, von der hochgeladenen, teils auch sehr diffusen Spannung dieser Stadt auch infiziert worden ist. Von den teils Schönheiten, teils sorgfältig restauriert, teils nachwievor, teils bereits erneut heruntergekommen. Von den eingestreuten und auch selbstbewussten Hässlichkeiten dieser Stadt.
Warum Fotografien in Schwarzweiß? Berlin von seiner Buntheit, teils sehr grellen Buntheit, zu entkleiden, beruhigt das Betrachten. Macht Strukturen besser sichtbar. Macht es vielleicht auch einfacher, hinter die Fassaden zu schauen.
Jürgen van Buer