436 Tangermünde – Kirchstraße 08-04-2016

Tangermünde – die ‚kleine‘ Hanse- und Kaiserstadt


Tangermünde. Der Name deutet schon an, warum es in der Geschichte der Stadt primär ging: Sie liegt an der Mündung des Tangers in die Elbe. Im Mittelalter der ideale Platz, um für die Nutzung der damaligen ‚Elb-Autobahn‘ Elbzölle zu erheben. In dieser Zeit gab es eben noch keine EU-Rechtsprechung, um die juristisch höchst fragile Mauterhebung in Deutschland zu stoppen. Die Zölle machten die Stadt wohlhabend. So bedeutend auch, dass sie der Hanse beitreten konnte und dass sie für fünf Jahre der Zweitsitz Kaiser Karl IV wurde (1373-1378).

363 Tangermünde – Lange Straße 08-04-2016

Die Blütezeit der Stadt war das 15. Jahrhundert, in dem auch die Stadttore und der Festigungsring, das Rathaus sowie die die St.-Stephans-Kirche entstanden. Im Stil der Backsteingotik. 1617 brannte die Stadt beinah vollständig aus. Letztlich erholte sie sich davon nicht mehr. Wurde zu einer unbedeutenden Kleinstadt.

503 Tangermünde – Elbtor 08-04-2016

Der 2. Weltkrieg hinterließ – glücklicherweise – so gut wie keine Spuren, so dass mit der schrittweisen Restaurierung nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten im Jahr 1990 ein beeindruckendes Kleinod aus Backstein und Fachwerk entstand. Eben in sehr positivem Sinn eine ‚kleine‘ Hanse- und Kaiserstadt.


Tangermünde. Man kann sie auf die Schnelle absolvieren: Vom Neustädter Tor durch den Ort durcheilen. Fachwerk links und rechts. Schön restauriert. Aber irgendwie einander ähnlich. Wenn man nicht so genau hinsieht. Kurzer Aufenthalt am beeindruckenden Rathaus. Schwer, das ganze Gebäude im Handy wegzuparken. Entlang der Kirchstraße hin zum Eulenturm, schnell einmal hinüber in die Burganlage, durch das Elbtor zurück entlang der Lehrerstraße und dann über die Mauer- oder die Neue Straße. Ein paar Mal stehen bleiben für die Erinnerungsfotos. Schließlich soll die Welt ja wissen, dass man oder frau die Stadt ‚gemacht‘ haben. Handysichten. Ein paar Selfies noch. Es soll ja etwas mitgenommen werden. Zumindest im Datenspeicher. Zum Abschluss vielleicht einen Latte Macchiato im Engel – Das Café an der Langen Straße. Und dann weiter. Der Geschwindigkeitsreigen des Autos lockt – und siegt.

303 Tangermünde – Rathaus 08-04-2016
451 Tangermünde – Marktstraße 08-04-2016


Tangermünde. Es geht auch anders. Übernachten vielleicht? Die Möglichkeiten sind überschaubar. Aber sie bieten das beinah selbstverständliche, mühelose Eintauchen in Geschichte. In die Entschleunigung. Zeit nicht mehr zum knappen Gut machen. Mit den Blicken nach links und rechts den eigenen gemächlichen Schritten folgen. Stehen bleiben. Kleine und auch größere Dinge entdecken. Die Unterschiede des Fachwerks erkunden. Inschriften lesen – oder es zumindest versuchen. In den kleinen Fachwerkcafés pausieren. Eins werden mit dieser kleinen Stadt. In der Überschaubarkeit zum Vorteil wird. Der nächste Tag kann warten. Vielleicht ist Tangermünde ja der richtige Ausgangspunkt für den nächsttäglichen Besuch des Kloster Jerichow, das man vom Elbtor aus in der Ferne erahnen kann. Sich Zeit nehmen kann so erholsam sein. Für den Geist, für die Sinne und für den Körper.


Jürgen van Buer, im November 2020

Tangermünde