Wenn der Name Córdoba fällt, dann wird beinah immer auch die Mezquita-Catedral (Moschee-Kathedrale) genannt – so als seien diese beiden unzertrennliche Zwillinge. Vielleicht sind sie es auch. Denn letztere steht nicht nur im Zentrum der Stadt; im Bewusstsein der Einwohner*innen wie der Besucher*innen ist sie es auch. Auch wenn Plätze wie Plaza de la Corredera oder die Plaza de las Tendillas Orte des Verweilens, der Begegnung sind. Sie können die Attraktivität der Mezquita-Catedral nicht schmälern, Für die Einwohner*innen von Córdoba müsste man eigentlich sagen: der Straßen, die dieses Monument umgeben. Für die Besucher*innen liegt sowieso hier der Kern ihres Verweilens in der Stadt. Sind doch die weiteren Höhepunkte in direkter Umgebung – die römische Brücke, der Alcázar de los Reyes Cristanos, die Judería, die nahegelegene Stadtmauer, die Caballerizas Reales.
Und doch, die Stadt ist ein Korpus von Straßen, Gassen, von Kirchen und Kapellen, von Palästen und Häusern, der sich breit lagert. Vielschichtig und immer wieder überraschend. Auch tief in den Untergrund hineinragend. Mit wunderschönen Innenhöfen. In sie hineinzuschauen und die Spiele des Lichtes auf den Pflanzen und um die teils uralten Säulen herum in sich aufzunehmen, wird jedoch nur selten erlaubt. Es sei denn, man oder frau besuche Córdoba im Mai zur Zeit des Festivals de Patios de Córdoba.
Gleichwohl lohnt es immer, viel Zeit mitzubringen. Bei den Wanderungen durch diese Stadt sich einfach treiben zu lassen. Stehen zu bleiben, sich umzudrehen, zurückzuschauen, sich über die Veränderung des Blicks auf Straßen, Gassen, Mauern zu freuen. Dabei kann es einem kleinen Abenteuer gleichen, dem Weg des gleißenden Weiß der Wände in die Schatten zu folgen. Den Wechsel der Straßenseite zu einem visuellen Tanz von Hell und Dunkel zu gestalten. Den grafischen Mustern nachzuspüren, die die gegenüberliegenden Häuser und Zinnen der Dächer auf den vom Sonnenlicht erwärmten Mauern entwerfen. Mit dem Lauf der Sonne ihren Veränderungen zu folgen.
Córboba. Das alte Corduba der Römer, das bereits auf einer iberischen Siedlung fußt. Kaum noch sichtbar sind die Spuren der Vandalen und Westgoten, die Spuren aus der Zeit des Byzantinischen Reiches. All dies liegt – zumindest in Teilen – tief unter den Fundamenten der Häuser der Altstadt. Den heutigen Eindruck weithin bestimmend – so erscheint es jedenfalls – ist die maurische Herrschaft zwischen 711 und 1236. Von hier aus entsteht al-Andalus. Es reichte weit in den Norden Spaniens hinein und wurde zu einem Mythos. Zu einer Legende, die mehr der Verklärung dient als der feinsinnigen Aufklärung über die damaligen Entwicklungen. Unter touristischen Aspekten wird dieser Mythos verkaufsfördernd wohl auch weiterhin als ein solcher feilgeboten werden, der Fantasien vom Paradies beflügelt. Wie dieses sei, wenn es bereits in dieser Welt zu finden sei.
1236. Dieses Datum zeigt die christliche Rückeroberung an – und die Verwandlung der zahllosen Moscheen in bzw. deren Überbauung durch Kirchen. Ein Prozess, der auch vor der zentralen Moschee nicht Halt machte, der zur Mezquita-Catedral führte.
1808 wurde Córdoba durch französische Truppen stark geplündert und auch zerstört. Der Wiederaufbau und die Neugestaltung folgte in der Altstadt entlang den alten maurischen Straßenzügen und Gässchen. Es entstand das so andalusisch erscheinende Zusammenspiel von Mauern, vergitterten Fenstern und dunklen, verwitterten Türen und solchen, an denen die Zeit vorübergeschritten zu sein scheint. Es entstand auch das Ineinandergreifen von Räumen und Innenhöfen hinter den Mauern. Dieses folgt dabei bereits viel älteren Formen. Mit dem Blick auf den Himmel zu leben und in der Hitze des Tages doch den kühlenden Schatten genießen zu können. All dies verbirgt sich hinter den alten Türen aus zerfurchtem Holz. Erlaubt werden im Allgemeinen nur kleine Einblicke. Vergitterte – wenn diese kleinen Durchblicke denn geöffnet sind. So bleibt sehr wohl das Innen gewahrt und wird deutlich vom Außen getrennt. Das Private vom Öffentlichen. Dies muss wohl auch sein angesichts der Heerscharen von Tourist*innen, die durch die Straßen fluten. Entlang der Hauptbahnen der Stadt mit deren unendlich erscheinender Folge von Geschäften mit ihren sich monotonen Angeboten, vorgefertigte Erinnerungen an diese Stadt mitzunehmen. Das Innen vom Außen getrennt. Dies muss wohl sein angesichts der nicht immer schamvollen Ansprüche der Besucher*innen, alles betreten zu wollen und auch zu dürfen. Alles zu einer bereits vorab buchbaren wohlfeilen Öffentlichkeit machen zu dürfen.
Doch letztlich bleiben beinah alle Fotografien Sichten des Außen – außer man oder frau erhalten den seltenen Zutritt in das Innere. Obwohl meine Bilder auf bisher insgesamt elf Aufenthalten stammen, sind sie vor allem Sichten des Außen. Straßensichten. Sichten von Plätzen, wie klein die Placetas auch sein mögen. Sichten vom Außen der Mauern. Von Fenstern. Und von Sichten, die dem Spiel und den Konturen des Lichts folgen und seines Bruders, dem Schatten.
Jürgen van Buer